IDEE

Warum eigentlich nicht alle Badis in Zürich zeichnen und dann versuchen, als Postkarten zu verkaufen? Um die Illustrationen der Zürcher Sommerbadeanstalten zu zeichen brauchte ich Material. Ich konnte die meisten Badis im Winter, als ich zeichnete, nicht besuchen und Dronenaufnahmen gestalteten sich rechtlich und finanziell schwierig. Ich ging deshalb im Internet auf die Suche nach Bildern. Dabei entdeckte ich die Bilderarchive der Stadt Zürich und der ETH. Da waren Bilder der Badis aus alten Zeiten, Badis, die es nicht mehr gab und Badis, die ganz anders aussahen. Das hat mich interessiert.

Wie wäre es, ein Buch zu machen, mit den Illustrationen der Badis, den Bildern aus dem Stadtarchiv, eigenen Fotografien der Badis heute und Texten zur Geschichte. Als meine Schwester mich fragte, für wen ich denn dieses Buch machen will, sagte ich: für mich.

Ich möchte die Geschichten hinter den alten Bildern herausfinden, wissen, wie meine Kindheitsbadi Letzi entstanden ist, ob ich wirklich alle Badis kenne und was da sonst noch zu finden ist.


WAS GIBT ES SCHON?

In meinen Lieblingsbuchläden habe ich gefragt, was es zu dem Thema schon gibt. Es gab ein winziges Portrait der schönsten Bäder der Schweiz und drei Jahre zuvor war ein ebenfalls kleinformatiges Buch über die Badis herausgekommen, welches schöne Aquarelle von schwimmenden Menschen und kurze Beschriebe enthielt. Nach weiterer Recherche fand ich in der Zentralbibliothek ein Buch, welches meiner Idee ähnlich war, seit etwa 10 Jahren jedoch vergriffen ist.

Bei meinem üblich Samstagmorgen Kaffee im Restaurant Volkshaus sass neben mir eines Tages tatsächlich der Fotograf des Buches von damals und erzählte mir, dass das Buch innert einigen Jahren ausverkauft und nie nachgedruckt wurde.


WER WÜRDE DAS BUCH VERKAUFEN?

Die Buchläden Besitzer meinten, sie würden so ein Buch gern aufnehmen in ihr Sortiment, einen Zürich-Bereich hatten die meisten sowieso. Das Sportamt sagte leider ab. Es wäre natürlich toll gewesen, das Buch in den Badis selber verkaufen zu können.


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WAS KOSTET DAS?

Fotografien und Illustrationen, sowie Texte konnte ich selber übernehmen.

Ich brauchte noch:

- Jemand, der Rechtschreibung und Satzbau überprüft (Lektorat) 

- Jemand, der die Typografie und Grafik überprüft (Grafiklektorat) 

- Jemand, der die Bilder für den Druck aufbereitet (Lithograf)

- Jemand, der die Bücher druckt (Druckerei)
Bei der Suche nach einem Drucker lernte ich eine eigene Welt kennen. Es gibt günstige Drucker, bei denen man aber Format, Einband, Papier usw nicht wählen kann. Das eignet sich vielleicht für ein Buch, welches nur aus Text besteht. Ich wollte aber ein richtig hübsches Buch mit angenehmen Papier, einem Leineneinband und keinem 0815 Format. Da es so ein spezifisch regionales Buch werden sollte, wollte ich unbedingt in Zürich drucken. Die Kosten waren jedoch extrem hoch. Schweren Herzens habe ich dann auch Offerten in Deutschland und Österreich eingeholt, wo man für die Hälfte auch noch super Service erhält.

Die Bilder von den Archiven durfte ich kostenfrei verwenden, solange ich die Quellen und FotografInnen angab.

Das Sportamt hat nach einigem Hin und Her eingewilligt, mich in die Badis zum Fotografieren zu lassen, ohne, dass ich dafür bezahlen musste. Erst wollten sie einige hundert Franken dafür. Dagegen habe ich mich gewehrt, weil das Buch ja Werbung und Wertschätzung für sie darstellt.


WIE KANN MAN DAS BEZAHLEN?

Meine Arbeit am Buch hat mir soviel Spass gemacht, dass ich mit dem Risiko leben konnte, dass sich das Buch evtl nicht gut verkauft. Durch die Recherche wusste ich jedoch, dass da ziemlich sicher was dabei rausschaut, wenn auch erst später.

Für den Druck brauchte ich jedoch mindestens 13 000 CHF.

Nun konnte ich entweder mit einem Vertrag arbeiten, der diese Kosten übernimmt, oder ein Crowdfunding lancieren.

Mit zwei Verlagen, deren Bücher mir gefallen, habe ich mich getroffen und beide meinten, sie würden das Buch gern rausbringen. Allerdings bekäme ich von jedem verkauften Buch nur 3-5%. Werbung und das Organisieren einer Vernissage würden sie auch nicht übernehmen.

Beim Crowdfunding behalten die Betreiber der Website zwar 10% vom Gewinn, wenn du Glück hast nehmen sie dein Projekt aber auf in den Newsletter.


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CROWDFUNDING

Auf wemakeit.com kann man mein Projekt immernoch sehen, wenn man Züribadibuch sucht.

Es gab einige Crowdfunding Plattformen 2018, wemakeit hatte einfach das schönste, modernste Design. Das Aufbereiten der Idee für die Plattform ist ziemlich viel Arbeit aber es macht Spass, sich Belohnungen auszudenken und die Idee kurz und bündig zu beschreiben.

Aber das allerbeste am Crowdfunding ist die Motivation!
Bis heute freut es mich, dass wildfremde Menschen meine Idee unterstützt haben und das Buch vorbestellt haben, obwohl sie es erst in einem Jahr erhalten würden und nicht wissen konnten, wie das herauskommt. Auch wenn ich während dem Prozess mal müde wurde, hat es mich motiviert, dass all diese Menschen ja auf das Buch warten, also soll es auch fertig werden. An so einem Projekt könnte man ewig tüfteln, doch da ich versprochen hatte, das Buch zu Beginn der nächsten Saison herauszubringen, half es, Sachen stehenzulassen oder Entscheidungen zu treffen, sowie irgendwann zu sagen so, jetzt ist fertig.


ILLUSTRATION BADIS

Die Illustrationen der Badis sollten zunächst als Postkarten dienen. Mein Ziel war es, die Badi aus der Vogelperspektive zu zeigen, ohne Umgebung. Beim Zeichnen kann man so schön Dinge weglassen und verändern, ohne der Sache selbst zu schaden. Wenn hier ein Baum so stand, dass man dadurch den wichtigen Kisok dahinter nicht sehen konnte, liess ich ihn weg, zeichnete ihn kleiner oder versetzte ihn leicht. Da die Zeichnungen dann doch etwas leer wirkten, fügte ich Badetücher und Sonnenschirme hinzu.

Wie bei den Fotografien wollte ich keine Menschen drauf haben. Die Leser und Leserinnen sollten sich selber darin sehen, nicht andere.

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ILLUSTRATION BADEMODE

Die zweite Person, die mir beim Buch half, war eine Freundin, die Illustrationen der Bademoden über die Jahrzehnte malte. Nachdem so viel vom Bildmaterial von mir stammt, wollte ich einen anderen Stil für diese Illustrationen haben.


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FOTOGRAFIE

Die Badis wollte ich ohne Menschen drin fotografieren, da diese Bilder in fünf Jahren durch die Veränderung der Mode was Muster, Farben und Schnitte betrifft, bereits alt aussehen können. Das bedeutete, dass alle Badis vor der Öffnung am 15. Mai fotografiert sein sollten.

Ausserdem sollten alle Badibilder ähnlich aussehen, was das Wetter und die Jahreszeit betrifft. Sobald das Wetter schön war und die Bäume grün, fur ich mit dem Motorrad von Badi zu Badi, fotografierte alles, was mir gefiel und ich für charakterisisch in dieser Badi hielt.

Jeweils nur 3 Bilder pro Badi auszuwählen war etwas vom Schwierigsten bei der Gestaltung von diesem Buch.


SCHREIBEN

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Die Stunden im Archiv der Stadt Zürich, in der ich Zeitungsartikel durchforstete, waren grossartig. Neben mir arbeiteten ausschliesslich ältere Männer, die ihre Familiengeschichte erforschten.

Die Quellen für meine Texte sind im Buch angegeben. Ich trug zusammen, was mir erwähnenswert schien und die Entwicklung der Badi zeigte, vom Anfang bis zum Ende. 

Dabei fühlte ich mich wie eine Detektivin, die versucht, Lücken in den Erzählungen zu schliessen. Da und dort gab es Widersprüche und ich musste mich für eine Variante oder Jahreszahl entscheiden.

Manches machte mich wütend, vor allem was die Rechte der Frauen betraf, die so spät schwimmen lernten und auch dann nur in abgeschlossenen Kästen durften.


INTERVIEWS

Eine Freundin, der ich vom Buchprojekt erzählte, wollte mir helfen und zog los, um verschiedene Menschen in der Badi zu interviewen. BademeisterInnen, Stammgäste, alle möglichen Menschen erzählten etwas zur Badi.

Die Aufnahmen dieser Interviews transkribierte ich zu Texten, wobei ich nur wenig wegliess und der Echtheit halber bei Schweizerdeutsch blieb. Da es mir aber nicht recht war, dass es dadurch für einige unleserlich wird, verfasste ich zusätzlich eine schriftdeutsche Version.

Diese Geschichten waren für mich auch eine grosse Motivation, das Buch zu Ende zu bringen. Immerwieder lese ich noch heute diese Erlebnisse fast lieber als die Baugeschichte der Badi.


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BILDER AUS DEM ARCHIV

Erst kürzlich hatte die ETH alle möglichen Archivaufnahmen auf eine Plattform geladen, wo diese hoch aufgelöst heruntergeladen werden konnten. Mit der Textsuche gestaltete sich dies etwas schwierig. Für das Letzibad fand man unter dem Suchwort Max Frisch manchmal mehr.

Für ein Bild des alten Kastenbad Zürichs musste ich Luftaufnahmen absuchen und für einige Abzüge nach Bern ins Archiv fahren und dort durch Schubladen durchwühlen.


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LAYOUT

Nun musste all das Material zu einem Buch zusammengefasst werden. Das hiess vor allem, auswählen und aussortieren, was ziemlich schmerzhaft war. Da waren so viele tolle Bilder aus dem Archiv, aber ich konnte unmöglich alles drucken.

In Buchläden schaute ich mir verschiedene Sachbücher im Bezug auf das Design an und zeichnete zunächst viele Ideen auf, bis ich mich für ein Raster entschied, und fast jede Badi in Illustration, Text/Archivbilder, Fotografien und Interviews aufteilte. Bilder, die mir besonders gut gefielen, gab ich eine ganze Doppelseite.

Bei der Schriftwahl verliess ich mich auf die Empfehlung einer Typografin. Neu waren mir typografische Probleme wie der Flattersatz oder das Hurenkind. Dies kostete mich zuviel Nerven und Zeit, also formatierte ich jeweils nur den ersten Abschnitt richtig.


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DRUCKVORBEREITUNG

Unzählige Male habe ich das Buch auf einem herkömmlichen Kopierer ausgedruckt, um mich vor allem um Text und Layout kümmern zu können. Es sieh manchmal wirklich gnaz anders aus als auf dem Laptop.

Für die Bilder können Proofs bestellt werden, damit man sieht, wie die Farben im Buch aussehen werden. Allerdings nicht auf dem gleichen Papier. Bei einigen Bildern war ich mir nicht sicher wegen den dunklen Bereichen und die Bademodeillustrationen wollte ich sehen, so bestellte ich zwei Proofs.

Damit das Blau im Buch dem offiziellen Zürich-Blau des Wappens entspricht und mit dem Leinenblau des Einbands übereinstimmt, mussten diese Blautöne mit Farbfächern abgeglichen werden.


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DRUCK

Endlich ist alles fertig, die Druckdaten werden generiert und an die Druckerei gesandt. Nachdem die Druckmaschine für den Druck vorbereitet wurde kann man (freiwillig) vorbeigehen, die Proofs mitbringen und die ersten Ausdrucke überprüfen. Im Notfall könnten hier die letzten Änderungen angebracht werden, bevor die Maschine dann 1500 Exemplare davon ausspuckt. Der Chef der Druckerei, die Drucker und der Lithograf sind dabei. Alles ist gut, man gibt das ok und fährt nach Hause. In drei Wochen sollen dann drei Paletten mit den Büchern ankommen.

Die Bronze-Platten für die Prägung darf ich nach dem Druck nach Hause nehmen, um sie für eine weitere Auflage aufzubewahren. Zwei Jahre später sind über 1000 Exemplare verkauft, könnte also bald nochmal gedruckt werden.


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WIE KOMMT DAS BUCH IN DIE LÄDEN?

Es gibt Vertriebszentren, die den Versand übernehmen. Da ich kein Verlag bin, war es schwierig, einen Vertrieb zu finden. Das Buchzentrum in Hägendorf übernahm dann meinen Versand, mit der Bedingung, dass sie aus Platzgründen nur 200 Bücher bei sich lagern können. Gehen diese aus, schicken sie mir eine Mail und ich schicke ihnen 200 neue.

Das hät mässig gut geklappt. Mehrmals haben mir Buchhändler geschrieben, ob mein Buch schon vergriffen sei und ich musste mich beim BZ beschweren. Seither frage ich dort regelmässig nach, ob sie noch genügend an Lager haben.

15% gehen an den Versand, 35% an die Buchhandllung und der Rest an mich.


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WERBUNG

Etwas unangenehm aber gut fürs Geschäft: Ein Interview mit der Zeitung. Man bekommt den ungefähren Text vor dem Druck zugeschickt. Den Titel hatten sie mir aber nicht gesagt und ich musste lachen, dass sie von all dem, was ich erzählt habe, genau dies als Titel gewählt haben.

Die Buchhändler übernehmen viel mit Newslettern, Empfehlungen, Beratung und der richtigen Präsentation. Deshalb ist es wichtig, nach wie vor in guten Buchhandlungen einzukaufen.

Möglichkeiten wie Kinowerbung oder Werbung in der Nähe von Badi-Eingängen habe ich mir überlegt. Da der Verkauf dann aber sehr gut lief, war dies unnötig geworden.


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VERNISSAGE

Zu guter Letzt: Zeit zum Feiern und Signieren!

Es ist speziell schön, alle Freunde, Familie und die Unterstützer vom Crowdfunding zu einem Glas Wein, Apero und Abholen des Buchs einzuladen. Zu einer Rede konnte ich mich nicht überwinden, aber ich hatte sowieso kaum Zeit. Über 100 Bücher habe ich signiert und einige direkt verkauft. Das Sportamt hat mir für 50 Bücher die Badi Wollishofen an einem Abend zur Verfügung gestellt und bei den Intercomestibles habe ich einen Kühlschrank mit Getränken bestellt.